Selbstliebe und Liebe, zwei Worte, welche die Zuneigung zu sich selbst und zu anderen beschreiben. Liebe ist ein menschliches Grundbedürfnis, sie ermöglicht die Bindung zu unserer Mama, unserer ersten Beziehungspartnerin in unserem Leben. Liebe ist nichts, was ein Kind erlernen müsste, als Grundbedürfnis sichert es uns von Anfang an unsere Bindung und damit auch unsere Existenz, denn ohne Liebe und Bindung kann kein Kind existieren. Selbstliebe ist ebenfalls naturgegeben, sie sichert unsere Selbsterhaltung und die Fortpflanzung.
Verletzung unserer Liebesfähigkeit
Häufig wird die Liebe zu sich selbst und dadurch auch unsere Fähigkeit zu lieben, durch verletzende Entwicklungseinflüsse unserer Bindungspersonen, Mutter und Vater, beschädigt. Die individuell gemachten Erfahrungen mit Mütterlichkeit und Väterlichkeit und die sozialen Verhältnisse, in denen wir aufwachsen, entscheiden nachhaltig, ob sich die Selbstliebe entfalten kann oder mit destruktiven Folgen für den Einzelnen und die Gemeinschaft behindert oder verschüttet wird. Die Chancen für eine gute Selbstliebe hängen stark vom Mass der erfahrenen Fremdliebe durch Mutter und Vater ab. Wer nicht geliebt wurde und dessen Liebe eingeschüchtert und in Frage gestellt wurde, fehlt die entscheidende Voraussetzung, um andere Menschen mögen und lieben zu können. Man ringt ein ganzes Leben lang darum, doch noch etwas Liebe und Selbstbestätigung zu erhaschen. Nicht selbst überfordern und erschöpfen sie sich im Bemühen um Anerkennung und erreichen doch nie ihr Ziel, weil sich das frühe Liebesdefizit nicht nachträglich auffüllen lässt.
Liebe durch die eigenen Kinder?
Besonders tragisch ist es, wenn liebeshungrige Menschen selbst Eltern werden und die Kompensation ihres erlittenen Liebesdefizits von den eigenen Kindern erwarten. Natürlich werden die Kinder die ihnen mögliche Liebe bereitwillig zur Verfügung stellen, denn zu lieben ist ein Grundbedürfnis, und für ihr Überleben brauchen Kinder die liebevolle Zuneigung ihrer Eltern, die sie durch eigene Liebesangebote fördern wollen. Ohne Gegenliebe von den Eltern aber werden sie allmählich ausgesaugt. Dies ist die häufigste Form des Missbrauchs, denen Kinder ausgesetzt sind.
Erwachsene ohne (Selbst)Liebe
So finden sich unter Erwachsenen sehr viele Menschen, die starke Zweifel haben, ob sie überhaupt liebenswert seien. Sie trauen sich wenig zu, befürchten häufig, Fehler zu machen oder zu versagen, wagen keine eigene Position zu vertreten, zögern beim Zugreifen, stellen ihre Möglichkeiten in Frage und werten eigene Erfolge ab. Unsicherheiten, Hemmungen, Skrupel und Minderwertigkeitsgefühle beherrschen ihre Selbsteinschätzung. Das soziale Leben wird als angstmachend, belastend und bedrohlich erlebt. Wer sich nichts zutraut, wird in zwischenmenschlichen Beziehungen schnell zum Hemmschuh, und auch die „Helfer“ werden häufig in den depressiv-resignativen Sumpf des Lebensverdrusses mit hinabgezogen. Beziehungen zwischen Menschen mit verletzten kindlichen Liebeserfahrungen verlaufen häufig sehr schwierig.
Heilung der frühen Liebesverletzungen
Um wieder beziehungsfähig zu werden ist es notwendig das erlittene Liebesdefizit zu erkennen, die eingeschüchterte oder beraubte Liebesfähigkeit als solche wahrzunehmen und vielleicht in einem späteren Schritt auch zu betrauern, dass man von Mutter und Vater nicht wirklich geliebt wurde. Ein Ziel wäre auch die verzerrten Einschätzungen aufgrund der ungestillten Frühbedürftnigkeit von der gegenwärtigen Realität in unseren aktuellen Beziehungen unterscheiden zu lernen. Frühe Not schleppt aufgestaute Erwartungen und irreal gewordene Hoffnungen mit sich, aber sie führen zu Misstrauen, Abwertungen, Ablehnungen und Enttäuschungen, die von der Realität so oft nicht gedeckt sind. Die frühen Erfahrungen werden auf die jetzigen Verhältnisse übertragen. So belasten die frühen Liebesstörungen die späteren Liebeschancen.
Es gibt unterschiedliche Hinweise darauf, wo frühe Defizite mit der Gefahr der Übertragung und der Verzerrung der Realitätswahrnehmung vorliegen.
Zu den Betroffenen möglicherweise zählt etwa
- wer nicht selbstverständlich feststellen kann, dass er bzw. sie gut und liebenswert sei;
- wer Verständnis erwartet, statt zu verstehen;
- wer andere für schuldig befindet, statt die eigene Verantwortung zu erkennen;
- wer geliebt sein möchte, statt zu lieben;
- wer andere abwertet, statt die eigenen Schwächen zu erkennen;
- wer andere verehrt, statt sich selbst zu loben;
- wer sich abhängig macht, statt selbst zu entscheiden.
Hinweise geben auch Ungleichgewichtsverhältnisse, wenn eine Aktivität auf Kosten der sie ergänzenden stark im Vordergrund steht, etwa bei dem
- wer Erwartungen hegt, statt zu handeln;
- der redet, um nicht zuzuhören;
- der agiert, um nicht zu fühlen;
- der sich ablenkt und zudröhnt, um nicht wahrzunehmen;
- der sich vor allem von äusseren Signalen und Reizen leiten lässt, statt von seiner inneren Stimme;
- der auf Sieg und Kampf setzt statt auf Gemeinschaft und Verbundenheit.
(Quelle: Hans-Joachim Maaz: Die Liebesfalle, S. 96-100)
Anliegen zur (Selbst)Liebe
Um deine individuelle Wahrheit zu erfahren, was genau mit deiner (Selbst)Liebe in den frühen Phasen deiner Existenz passiert ist, unterstützt dich die Anliegenmethode. In einer Selbstbegegnung kann Heilung dann geschehen, wenn du in der Tiefe verstehst und erfahren kannst, was mit deiner Liebesfähigkeit geschehen ist, warum diese möglicherweise verletzt oder missbraucht wurden oder warum es dir heute so schwer fällt eine gute Beziehung mit dir und anderen führen zu können. Wir können in Bezug auf unser wichtigstes Grundbedürfnis, zu lieben und geliebt zu werden, die Vergangenheit nicht rückwirkend verändern, aber wir können du ab diesem Moment dafür sorgen, dass wir die alten Wunden heilen lassen können und unsere Liebesfähigkeit zu uns selbst und anderen zu verbessern.